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Der Runde Tisch läuft nicht rund

Findet der Runde Tisch zur Rheinpfalzallee 83 noch eine gemeinsame Linie?

In den vergangenen Wochen tagte der in  der Einwohnerversammlung vom vergangenen November geforderte Runde Tisch mehrfach; aufgrund der durch die Corona-Krise vorgegebenen Beschränkungen ausschließlich im virtuellen Raum als Videokonferenz. Trotz der durch die Anwohner vorgebrachten Einwände bezüglich dieser besonderen Form, die erhebliche – nicht nur technische – Probleme birgt, waren die institutionellen Vertreter nicht von dem eng gesteckten Zeitplan bis Ende August 2020 abzubringen. Selbst nach den Corona-Lockerungen wird an diesem Format festgehalten.

Die durch die Anwohner bislang gemachten Erfahrungen mit diesem Runden Tisch sind im besten Falle als ambivalent zu betrachten. Während die Geschäftsordnung einen Interessensausgleich vorsieht, verfestigt sich nach den letzten Sitzungen bei den Einwohnern der Eindruck, dass sowohl seitens der beteiligten Verwaltungsstellen (also Senatsverwaltung und Bezirksamt Lichtenberg) als auch seitens des Bauherren HOWOGE ein Festhalten an der bereits erteilten Baugenehmigung die beste Lösung darstellt. Schlimmer noch, möchte man doch den Anwohnern die Rolle des Schwarzen Peters nur zu gern zuweisen, indem man ihnen vorwirft, dass sie zu keinem Kompromiss bereit wären.

Was wollen die Anwohner?

Die Anwohner fordern in einem Einwohnerantrag, dass sich die Bebauung des Grundstückes an den Gemeinbedarfen und Limitationen des Wohngebietes zu orientieren hat; dies beinhaltet die Forderung nach der Sicherung des Grundstückes für einen Schulbau, eine Kita und auch eine Jugendfreizeiteinrichtung. Der jahrelange Mangel an sozialer Infrastruktur darf nicht weiter verwaltet, sondern muss vor weiteren Großprojekten behoben werden. Die Anwohner sehen zudem die wachsenden Defizite, die sich in einem Mangel an geeigneten Einkaufsmöglichkeiten, Stätten für Sport, Kultur und Gastronomie oder für andere soziale-Dienstleistungen ausdrücken. Eine zentrale Forderung besteht zudem in der Berücksichtigung des Einfügungsgebotes nach §34 BauGB. Karlshorst wächst rasant, doch der Charakter einer „grünen Lunge“ soll erhalten bleiben.
Es ist den Einwohnern wichtig zu betonen, dass sie keine Einwände gegen eine Unterkunft für geflüchtete Menschen haben, sie verweisen  aber darauf, dass eine gemischte Wohnbebauung der Integration der Geflüchteten und damit der Gesellschaft sehr viel dienlicher ist. Auch sollten soziale Spannungen vermieden werden, indem man die Anwohner nicht mit einer zu großen Anzahl von Menschen, die untergebracht werden, überfordert.

Warum muss der Eindruck entstehen, dass ein Scheitern des Runden Tisches gewollt ist? 

In den vergangenen Sitzungen wurde die „Vertiefende Studie Rahmenplan Karlshorst-Ost[1] vorgestellt, die verschiedene Varianten zu einer möglichen Bebauung des Grundstücks an der Rheinpfalzallee und anderer Grundstücke vorstellt. Während hierdurch der durchaus vorhandene Raum an Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt wurde, entspricht aber keine der vorgestellten Varianten nach Meinung der Anwohner dem bereits erwähnten Einfügungsgebot nach §34 BauGB [2]. Auch sehen sie die Defizite im Wohngebiet nicht annähernd adressiert, teilweise käme es durch die Verwirklichung einzelner Varianten zu einer noch höheren Verdichtung. Trotz dieser Ein­schränkungen wären die Anwohner  bereit, dem Bau einer Schule zuzustimmen.

Es erscheint jedoch zweifelhaft, dass dem dringend benötigten Schulneubau in der Rheinpfalzallee –insbesondere einer Grundschule – seitens des Bezirksamtes noch eine sehr hohe Priorität zugemessen wird, sondern ein Schulneubau an Waldowallee vorgezogen wird. Ein Schulbau an der Waldowallee ist aber wegen des notwendigen Bebauungsplan-Verfahrens eher mittelfristig realisierbar und kann daher das aktuell drängende Defizit nicht ausgleichen.

Die Anwohner haben immer mehr den Eindruck gewonnen, dass ihre Einwände  gegen die Bebauung nicht behandelt werden. Weder ein Integrationskonzept, noch ein Verkehrs- oder Erschließungskonzept wurden vorgestellt oder auch nur angekündigt.

Andererseits werden in den vorgestellten Varianten die finanziellen Interessen des Investors HOWOGE  übermäßig gewürdigt, indem die Anzahl der vermietbaren Wohnungen und Unterbringungsflächen für Geflüchtete maximiert werden. Ob ein privater Investor seitens der Verwaltung ähnlich zuvorkommend behandelt werden würde, ist mehr als fraglich. Zudem  wird seitens der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales ein Junktim geschaffen, die den Bau einer Grundschule ohne den gleichzeitigen Bau der in ihren Dimensionen völlig deplatzierten MUF ausschließt.

Somit wird also eine Situation geschaffen, die eine Zustimmung der Anwohner zu dem Vorhaben ihrerseits ausschließt; sie sehen sich in ihren Nachbarschaftsrechten massiv beeinträchtigt. Gleich­zeitig wird den Anwohnern vorgeworfen, sich mit einer Klage gegen die bereits erteilte Bau­genehmigung (die ausdrücklich ein Widerspruchsverfahren ausgeschlossen hat) zu wehren. Diese Baugenehmigung hat aber Fakten geschaffen, denen nur auf diesem Weg begegnet werden kann.

Alles in allem ist nach Meinung der Anwohner ein fragwürdiges Demokratieverständnis sowohl seitens der beteiligten Senatsverwaltung als auch des Bezirksamts Lichtenberg nicht von der Hand zu weisen. Eine Beteiligung der Bürger an der Entscheidungsfindung ist wohl nur dann willkommen, wenn die Vorhaben der Verwaltung kritiklos entgegen genommen werden.

Sollte also der Runde Tisch zur Rheinpfalzallee tatsächlich scheitern, liegt dies nicht an der mangelnden Kompromissfähigkeit der Einwohner. Sie möchten an diesem Punkt nicht auf Bertolt Brecht verweisen müssen:

Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.

Bertold Brecht, Der gute Mensch von Sezuan

[1] https://www.berlin.de/bebauungsplan-lichtenberg/beteiligung/runde-tische/rheinpfalzallee/vertiefende-untersuchung_rahmenplan-karlshorst-ost.pdf

[2] § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist (https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/__34.html).

Dieser Betrag wurde von Bertram Begau verfasst, der Teilnehmer des Runden Tisches ist

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