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Chronik eines angekündigten Scheiterns

Was eine Pressemitteilung des LAF mit dem Scheitern des Runden Tisches zur  Rheinpfalzallee 83 zu tun hat

Am 15.09.2020 veröffentlichte das Bezirksamt Lichtenberg die „Abschließenden Stellungnahmen“ der Beteiligten zum Runden Tisch Rheinpfalzallee (siehe https://www.berlin.de/bebauungsplan-lichtenberg/beteiligung/runde-tische/rheinpfalzallee/artikel.927250.php ). Fast auf den Tag genau ein Jahr zuvor – am 17.09.2019 – machte das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten Berlin (LAF) in einer Pressemitteilung auf die Bebauungspläne für das Grundstück erstmals die breite Öffentlichkeit aufmerksam (https://www.berlin.de/laf/ueber-uns/pressemitteilungen/2019/pressemitteilung.847218.php). Diese Dokumente stellen Anfangs- und vorläufigen Endpunkt einer Entwicklung dar, die viel über das Selbstverständnis von hiesigen Politikern und Behörden erzählt.

Wenden wir uns zunächst der Pressemitteilung des LAF zu, aus der wir wörtlich zitieren möchten: „Die vorliegenden Pläne, insbesondere das Mitdenken von sozialer Infrastruktur wie Kindergarten, Kiez- oder Jugendclub in den Gebäuden zeigen, dass die intensive Kooperation mit den Wohnungsbaugesellschaften und dem LAF auch der Nachbarschaft zu Gute kommt. (….)Weitere Standorte, für die derzeit die Bauanträge vorbereitet werden, sind: Fröbelstraße 15 (Pankow), Zossener Straße 156 (Marzahn-Hellersdorf), Rudower Straße 184 (Neukölln), Hassoweg 8 (Treptow-Köpenick), Askanierring 70-108A (Spandau), sowie Rheinpfalzallee 83, 91, 93 (Lichtenberg). (…)  Bei allen Planungen setzt das LAF auf einen integrativen Ansatz. Dies betrifft sowohl die Integration des Baukörpers in die städtebauliche Umgebung, als auch die soziale Integration der neuen Bewohnerinnen und Bewohner in die Nachbarschaft.“

Wer nun nach dieser Pressemitteilung erwarten würde, dass die beteiligten Senatsverwaltungen und der zukünftige Bauherr und Grundstückseigentümer, die HOWOGE, sich die Ankündigungen zu Herzen nehmen würden, sah sich aber wohl getäuscht.

Hier einige Meilensteine auf dem Weg des Scheiterns:

  • Es benötigte die Mitwirkung und Organisationskraft der Anwohner und des Bürgervereins Karlshorst e.V., damit überhaupt eine Informationsveranstaltung organisiert wurde, bei der die Pläne erstmals der Karlshorster Öffentlichkeit vorgestellt wurden.
  • Die Baugenehmigung wurde ohne weitere Bürgerbeteiligung erteilt; erst nach wiederholtem Drängen bequemten sich Senatsverwaltungen und HOWOGE dazu, einem Runden Tisch zuzustimmen. Ziel des Runden Tisches war es „zumindest scheinbar“, die Belange der Anwohner zu berücksichtigen. Diese betrafen vordergründig die Sicherung des Grundstücks Rheinpfalzalle 83 für die  Daseinsvorsorge (Kita, Schule, Jugendeinrichtung) und eine Alternative zur Baugenehmigung, welche ausschließlich die Bebauung mit MUFs vorsieht, zu erarbeiten.
  • Wegen Coronas nur im virtuellen Raum stattfindend, zeigte der Runde Tisch erst Lichtblicke (indem Möglichkeiten einer Bebauung im Gebiet Karlshorst Nord-Ost aufgezeigt wurden), um dann schnell wieder auf die Schattenseite zu wechseln – weder Senatsverwaltungen noch Bauherr wollen von der Baugenehmigung abweichen. Begründet wurde dies damit, dass keine Verzögerungen des Baus durch Umplanungen gestattet wären. Selbst ein Boykott einer Sitzung durch die Anwohner wurde achselzuckend hingenommen, um ungerührt mit der Tagesordnung fortzufahren.
  • Die vermeintliche Absichtserklärung „Letter of Intent (LoE) “, welche der Staatssekretär für Integration persönlich den Bürgern in Karlshorst öffentlich zugesagt hatte, erwies sich bislang als Schall und Rauch. Das LoE sollte 60% der Grundstücksfläche in der Rheinpfalzalle 83 für den Bau von Schule, Kita und Jugendeinrichtungen sichern. In der Antwort vom Senat für Integration vom 31. Juli 2020 zur schriftlichen Anfrage „Städtebauliche Perspektive für die Rheinpfalzallee in Karlshorst“ (Drucksache 18 / 24 113) wurde mitgeteilt:  Die Notwendigkeit des Schulneubauvorhabens in der Rheinpfalzallee hat sich aus dem Monitoring 2019 zwischen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und dem Bezirk Lichtenberg ergeben. Es ist daher weder im Investitionsprogramm 2019-2023 noch im Kernhaushalt und auch nicht im Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA) berücksichtigt. Die Errichtung einer Grundschule in Typenbauweise durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen ist auf Grund der Grundstückssituation und der weiteren auf dem Grundstück zur Realisierung vorgesehenen Nutzung nicht möglich.
  • Einwände der Anwohner wurden weitestgehend ignoriert, ein Integrationskonzept wird z.B. nur durch die Pressestelle des LAF „erarbeitet“.
  • Die Abschlusserklärung wurde trotz Einspruches von Anwohnern und Bürgerverein Karlshorst zunächst auf den Webseiten des Bezirksamtes Lichtenbergs veröffentlicht, die Beteiligten wurden erst nach 24 Stunden darüber informiert. Auch der energische Protest des Vorsitzenden des Bürgervereins Karlshorst e.V. und gleichzeitigen Sprechers des Runden Tisches, Dr. Köhler, änderte diese Haltung nicht.  

Ohne weiteres ließe sich diese Liste forstsetzen, und der Eindruck muss sich verfestigen, dass Bürgerbeteiligung nur dann gewünscht wird, wenn entweder die Ergebnisse Politik und Verwaltung genehm sind, oder wenn lediglich Petitessen zu entscheiden sind. Erhellend in diesem Zusammenhang ist die Antwort des Senats auf die Anfrage des Abgeordneten Danny Freimarks, dass man nicht gegen seine eigenen Leitlinien zur Bürgerbeteiligung verstoßen habe, weil es noch kein Umsetzungskonzept gäbe (diese Anfrage ist auch noch in anderem Zusammenhang bedeutend – siehe https://www.danny-freymark.de/wp-content/uploads/sites/12/2020/07/S18-24113.pdf ).

P.S.: Der Bauantrag trägt das Datum 30. August 2019.

P.P.S.: Der Bezirksbürgermeister von Lichtenberg, Herr Grunst, teilte während seines Kiezspazierganges am 19. September 2020 mit, dass mit dem Schulbau nicht vor 2025 zu rechnen wäre.

Literatur zum Weiterlesen:

Presseerklärung des Bürgervereins Karlshorst e.V. zum Runden Tisch: http://karlshorst-buergerverein.de/2020/09/presseerklaerung-runder-tisch-rheinpfalzallee/#more-2950

Protokolle und Geschäftsordnung zum Runden Tisch Rheinpfalzallee: https://www.berlin.de/bebauungsplan-lichtenberg/beteiligung/runde-tische/rheinpfalzallee/artikel.927250.php

1 Gedanke zu „Chronik eines angekündigten Scheiterns“

  1. Leider hat der Wähler und Bürger von Karlshorst gelernt wie Demokratie in Berlin geht. In Gutsherrenart ( wurde in den letzten 100 Jahren schon oft gemacht ) wurde bestimmt was hier vor Ort für den Bürger gut ist, wir haben Glück, das wir nicht noch zu Fronarbeit ran gezogen wurden, aber es darf sich keiner wundern, das nur wenige Leute mit wehenden Fahnen hier stehen werden um unsere Politiker zu feiern. Der Bürger muss es halt ertragen, kann nur sagen weiter so, ist doch noch ein bisschen platz da.

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