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Digedagsplatz, Redebeitrag von der Platzbenennung

Redebeitrag von der Platzbenennung von Dr. Thomas Thiele (Museum Lichtenberg)

In seiner Rede anlässlich der Gedenktafeleinweihung für Hannes Hegen alias Johannes Hegenbarth sagte der Historiker Prof. Bernd Lindner:

Ich kenne mehr als einen seriösen Historiker, der heute schwört, ohne Hannes Hegens Mosaik kaum diesen, zu DDR-Zeiten wenig anregenden Beruf ergriffen zu haben.

UND:

DIE TRAUMFABRIK DER DDR STAND 20 JAHRE LANG – von 1956 bis 1975 – NICHT IN POTSDAM-BABELSBERG (schon gar nicht in Adlershof), SONDERN HIER IN DER WALDOWALLEE 15.

Auch ich, dessen Vater Historiker war, und der mir von seinem Beruf mit den Worten abriet: „Dann musst du dein Leben lang Leuten etwas beibringen, was die sowieso nicht wissen wollen“ – war von den Ausflügen der Digedags in Geschichte und Zukunft fasziniert.

 

Geschichte habe ich nicht studiert, aber dass ich heute und hier an der Namensgebung eines Platzes nach den Welten- und Zeitenbummlern DIGEDAGS teilhaben kann, hat etwas mit dem Samen zu tun, den Hannes Hegen in meinen heranwachsenden, noch kindlichen Geist gestreut hat.

Mein Vater hatte in einem Recht: die von ihm dogmatisch zu lehrende Geschichte hat wirklich nur jene berührt, die es nicht auf Erkenntnis und Freude am Wissen abgesehen hatten, sondern vor allem auf Anerkennung oder Bestätigung. Ungewissheit und Zweifel kannten viele dieser Historiker kaum oder gar nicht.

Die DIEGDAGS jedoch waren in gewisser Weise Anarchisten.

Die Wahl des Sujets der Ritterromane in der Heftfolge „Ritter Runkel von Rübenstein“, war ein geschickter Schachzug des Zeichner- und Autorenkollektivs. Sie war am Vorbild des Don Quichote von Miguel Cervantes geschult. In ihm nahmen die drei Helden DIG, DAG und DIGEDAG die Rolle des Sancho Pansa ein. Sie waren die Narren und Weisen in „Dreieinigkeit“.

Geschichte verläuft nicht in geordneten Bahnen. Jähe Wendungen sind darin nicht ausgeschlossen. Das hat die marxistisch-leninistische Geschichtswissenschaft bis zu ihrem Ende nicht für möglich gehalten.

Das Ritter-Runkel Abenteuer endet mit der triumphalen Rückkehr des „Ritters von lächerlicher Gestalt“. Es widerspricht der gelehrten Auffassung, dass eine „Klasse“ untergeht. Vielmehr geht die Erfahrung MIT ihr in der Gesamtschau der Geschichte als Erfahrung auf. Der Looser ist der naive, der fröhliche Gewinner, weil er sein „Abenteuer Leben“ gegen alle Widrigkeiten bestanden hat, und das DANK der drei ihn begleitenden Knappen. Sein „Fußvolk“- die Knappen DIG, DAG u DIGEDAG- hatten und haben jedoch letztlich unsere Sympathie, nicht die eitel zur Schau gestellte „Ritterlichkeit“.

Das ist noch heute so.

Ohne Johannes Hegenbarth und seine Mitautoren überhöhen zu wollen: sie haben eine modere Schelmengeschichte hinterlassen, die ihre Leserschaft einlud, freie Geister zu sein. Nichts in der Geschichte ist DETERMINIERT und hat ein absehbares Ende. Das Leben ist ein Abenteuer, das es zu bestehen gilt.

Noch etwas ist hier zum Autor der Geschichten wichtig zu sagen:

Auch Johannes Hegenbarth kam nicht aus dem NICHTS dazu, dieses eigenständige – und leider immer noch nur im Osten Deutschlands bekannte Werk zu schaffen.

Das von ihm und seinen Mitstreitern verfasste Werk war nicht das offiziell erwartete „Gegengift“ zu den verbreiteten westeuropäischen und nordamerikanischen „Comics“. Es war viel subversiver, weil es die Ideologie der Auftraggeber in spielerischer Weise unterlief. Und es war viel BESSER, als Donald Duck und Micky Mouse.

Johannes Hegenbarths Bildergeschichten hatten eine künstlerische Tradition, der sie folgten – den Deutschen Bilderbogen.

Abgesehen von dem hier unterstellen Vorbild Miguel Cervantes, hatte Johannes Hegenbarth auch zwei große familiäre Künstlervorbildern, die Malern und Zeichner Emanuel und Josef Hegenbarth. Der Bezug zu beiden Großonkeln wurde ihm mit zunehmendem Alter immer wichtiger.

Waren es in der Nachstudienzeit und mit den Aufträgen für Karikaturen für die Zeitschriften „Frischer Wind“ und „Eulenspiegel“ politisch erwartete Kunstäußerungen, befreite sich Hannes Hegen zunehmend von den vorgegebenen politischen Themen. Darin war er das, was auch seine Familienvorbilder waren: ein FREIER KÜNSTLER.

Seine komplizierte und zum Teil als exaltiert überlieferte Wesensart verdeutlicht nur, dass er eine feste Vorstellung von seinem Künstlertum besaß.

Der Bruch mit dem Verlag „Neues Leben“ 1975 und sein unbeirrtes Weiterarbeiten bis zu seinem Lebensende zeigen einen Menschen, der sich in seiner künstlerischen Freiheit nicht beugen ließ.

Diese Charakterstärke hat er in seine Kunstfiguren eingepflanzt und eben diese machte ihren früheren und macht ihren weiteren Erfolg aus. Mit den Abenteurern DIG, DAG und DIGEDAG ist seine Leserschaft auf die Reise von der Antike bis in die Zukunft gegangen – auf eine Reise, die ein offenes, aber jeweils auch ein optimistisches Ende hatte. In künstlerischer Hinsicht erfüllen diese Geschichten einen höchst denkbaren Anspruch: Sie machen Mut und Lust auf das Abenteuer Leben. Was brauchen Leser mehr als das!?

Wenn dieser Platz von heute an die Namen von Kunstfiguren trägt, ist das in jeder Hinsicht etwas Besonderes. Wer kennt schon einen „Faust- oder Mephistophelesplatz“. Der Platz erinnert an drei leichtfüßige, literarische Gesellen, die zum Begleiter einiger Generationen wurden. Ihr Name mag auch zukünftige Generationen zu einem eigenbestimmen, freudvollen Leben beflügeln.

Den Initiatoren Armin Donat, Volker Künhold und Jens Wilczek sei dafür aufs Herzlichste gedankt.

Dr. Thomas Thiele
Museum Lichtenberg