Vor einiger Zeit sprachen wir beim Treff der Bücherfreunde über „Kinder der Moderne: vom Aufwachsen in berühmten Gebäuden“. Im Mittelpunkt stand die Frage „Was macht das Leben in einem exponierten Gebäude mit dem Bewohner“. Das nun in unserem Kreis vorgestellte Buch „Das Gartenzimmer“ von Andreas Schäfer gibt zu dieser Frage bemerkenswerte Einblicke unterschiedlicher schicksalhafter Beziehungen zu den „Vier Wänden“, die zum Zuhause geworden sind.
Der junge, noch unerfahrene Architekt Max Taubert – beim Lesen drängte sich mir die Beziehung zu Max Taut auf – doch nein, diese Persönlichkeit ist rein fiktiv – entwarf 1908 sein Meisterwerk im Grün der Dahlemer Hügel mit einer bewussten Abkehr von der verschnörkelten märchenhaften Form des Jugendstils, hin zur klaren, funktionalen Sprache der folgenden Bauhauskultur; kaum, dass er sein Architekturstudium an der Berliner Kunstgewerbeschule abgeschlossen hatte. Dass er beim Entwerfen frei und ohne Vorgaben gestalten, sowie seine persönlichen Vorstellungen von Raum und Beziehungen zur Umgebung entwickeln konnte, verdankte er dem Auftraggeber Rosen. Dieser distanziert wirkenden Professor mit seiner empfindsamen Ehefrau beflügelte Max Tauberts Ideen für das vom Ehepaar Rosen gewünschte Landhaus, fand im Ergebnis hinreichend Beachtung und gab dem jungen Architekten schnell einen bedeutenden Namen.
In dieser Phase der Lektüre ist der Schreibstil blumig emotional, lässt ein Spinnwebengewirr unterschiedlicher Gefühle zu, auch solche zwischen dem Erbauer Max und der empfindsamen Hausherrin, seinem Befremden, warum eine Einladung zum Bezug des Hauses so spät erfolgte, dann aber so festlich ausfiel mit einer Eloge des Professors für diese neue Art, zu bauen.
Mit Stolz präsentiert nun die Gastgeberin regelmäßige musikalische Vorführungen im Salon des Hauses und führt die Gäste zu den gelobten Räumen. Dies Haus gab der Dame Rosen Inhalt und Erfüllung für ihre Lebensgestaltung.
So rosig und idyllisch bleibt der Inhalt keineswegs. In sich überschneidenden Zeitabschnitten, stets mit Jahresangabe zum neuen Kapitel, werden die Bewohner mit den jeweiligen Lebensbedingungen seit der Zeit der Erbauung 1908 bis zum Kriegsende und der denkmalpflegerischen Wieder-belebung 2001 bis 2011 beschrieben.
Die Zeiten änderten sich nun dramatisch. Als 1. Schicksalsschlag musste der tragische und brutale Tod des Sohnes verwunden werden, kaum, dass das Aufsehen erweckende Landhaus bezogen worden ist. Es folgten Krieg, Inflation, das „Neue Denken der Braunen Ära“ und wieder Krieg. Die politischen Gegebenheiten bestimmten das Leben.
Besonders eindrücklich sind die psychischen Folgen für Max dargestellt, seine wattige Empfindungslosigkeit, das Schreien der toten Kameraden in seinem Kopf, die Unmöglichkeit, unter solchen Bedingungen, ohne Material und Mittel zu bauen, zudem bei geänderten Stilvorstellungen. Mit 46 Jahren steht er vor dem Nichts und mit der Erkenntnis, dass sein Vorzeigebau von 1908 wertlos ist. Mitten im Krieg, 1943, steht es ohne Bewohner da und verfällt.
Die maroden Mauern haben dennoch ihre Faszination, was wiederum ein junges Ehepaar lockt, es zu erwerben. Sie ahnen nicht, dass deren Geschichte im Bewusstsein in Zukunft weiterleben wird.
Es steht unter Denkmalschutz. Die äußere Gestalt wird wieder mit neuer Pracht hergestellt. Doch die einst gelebten Ereignisse in dem alten Gebäude vernetzen sich durch erlangtes Wissen mit eigenen Gefühlen, führen einerseits zur schwärmerischen Schau der Architektur, organisiert wie damals mit musikalischen Darbietungen der neuen Hausherrin. Der Sohn zeigt aber als Vertreter der jüngeren Generation Ablehnung, empfindet es als belastend.
Die Frage bleibt, was können Mauern für ihr Innenleben?