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MACHANDEL

Machandel ist in Regine Scheers Roman ein kleiner Ort in Mecklenburg-Vorpommern. Schloss Schlitz lässt sich von dort auf einer längeren Wanderung erreichen.

„Machandel“ – noch nie gehört. So soll man auch Wacholder genannt haben. Eine uralte Sage rankt sich um diesen Baum, in der es um Tod, einem Vogel und ein Weiterleben geht. Dennoch ist dieses spannende, aussagereiche Buch keine mystische Saga, sondern eine gekonnte Wiedergabe der Lebenssituationen in der DDR vom Kriegsende bis zum Zusammenbruch dieses kleinen „Versuchsstaates“.

Wenn ich wiederholt gefragt wurde, wie denn das Leben in der DDR gewesen sei, bemerkte ich bei meinem Bericht die Diskrepanz zu anderen, die nach mir geboren wurden und denen, die in ganz anderen Orten oder unter anderen Verhältnissen herangewachsen sind. Zudem trägt ein Jeder die Vorgeschichte der Eltern mit sich herum.

All die Geschehnisse des Kriegsendes und die historischen Ereignisse und Lebensbedingungen im östlichen Teil Deutschlands beleuchtet Regina Scheer aus verschiedenen Ebenen. Durch Reflektion der unterschiedlichen Charaktere und der jeweiligen persönlichen Bedingungen hat sie ein weitgehend authentisches Bild des aufgelösten Staates DDR gezeichnet.

Alle dargestellten Personen erzählen in der Ich-Form. Sie erklären sich damit in ihrer Situation, der sich alle gegenübersehen. Im Mittelpunkt steht Clara und ihr Ehemann Michael, die der hektischen Betriebsamkeit in Berlin eine Möglichkeit für einen zwischenzeitlichen Ausstieg im ländlich einfachen, vermeintlich idyllischen Machandel anstreben. Sie wählen eine kleine Kate, unterziehen sie einer Verjüngungskur. So zeichnet die Autorin die Gegebenheiten auf dem Land im Gegensatz zur Großstadt.

Zugleich wird die Figur ihres Vaters als ehemaliger geschundener KZ-Häftling, der alles für seine politischen Ideale erduldet hat, nachvollziehbar als verknöchertes Mitglied der Ministerriege dargestellt, der die Widersprüche nicht begreifen kann, selbst dann nicht, als sein Sohn ihm kritische Fragen stellt und schließlich das Land verlässt – wie so viele.

Umbrüche durch Krieg, durch Flüchtlingsströme, die aufkommende Hoffnung nach Krieg und Not durch Neulandverteilung an die Bauern, dann wiederum die nachfolgende Wiedervereinnahmung der Ackerflächen zur Bildung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG´s) und was all dies mit den Menschen und ihren Verhaltensweisen gemacht hat, das hat die Autorin recherchiert und überzeugend dargestellt.

Das Spannungsfeld zwischen Hauptstadt und Land, zwischen den Generationen, dem Aufbegehren der Jüngeren, dem Wachsen zum offenen Widerspruch, dem Neuen Forum, dem Demokratischen Aufbruch, den bald sich zeigenden Widersprüchen innerhalb der Gruppierungen bereits in der euphorischen Phase bis zum Fall der Mauer…. Es ist ein nacherlebbares Geschichtsbuch der jüngsten Historie des nun vereinten Deutschlands. Und dabei vermeidet Regina Scheer alle Lehrhaftigkeit.

Christoph Hein spricht von einem „wunderbaren Buch“. Nun, „wunderbar“? Ihr Stil, ihre Form ist einfach gekonnt und leicht verständlich. Es macht aber auch ebenso deutlich, wie allgemein und immer erneut menschliche Verhaltensweisen Träume nicht lange leben lassen.

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