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DIE KULTURELLE BEDEUTUNG DER RENNBAHN KARLSHORST

Der folgende Gastbeitrag wurde von Herrn Prof. Laschke, einem der profundesten Kenner der Geschichte der Rennbahn und Leiter der Geschichtsfreunde Karlshorst, verfasst.

Prolog
Jede Sportstätte, auch eine Pferderennbahn, ist ein Ort sportlicher, also kultureller Lebens­äußerungen. Er ist ein besonderer Ort, wenn er darüber hinaus kulturelle Aspekte in sich einschließt, die über den Sport weit hinausgehen. Ein solcher besonderer Ort ist das Gelände der Trabrennbahn in Karlshorst.

Die Anfänge
Die Geschichte des Pferderennens begann in Karlshorst 1854 mit den ersten Jagdrennen auf der Friedrichsfelder Feldmark. Als Wohnplatz existierte lediglich ein Vorwerk von etwa 1820, das 1825 den Namen „Carlshorst“ erhielt. Nach W. Fauck gab es hier zwischen 1854 und 1867 insgesamt 13 Rennen. Jagdrennen fanden damals nicht auf Rennbahnen statt, sondern auf jeweils abgesteckten Kursen an wechselnden Orten im Berliner Umland. Dazu gehörte auch die Feldmark Friedrichsfelde im Eigentum der Herren von Treskow.  Das letzte Rennen lief im Juni 1867. Veranstalter war der “Verein für Pferdezucht und Pferdedressur zu Berlin“.
1893 erwarb der „Verein für Hindernisrennen zu Berlin“ (1881 gegründet) südlich vom damaligen Vorwerk Carlshorst einen Teil der Friedrichsfelder Feldmark und verlegte seine Rennbahn von Charlottenburg an den bis heute pferdesportlich genutzten Standort.

Der kulturelle Wert der Rennbahn Karlshorst ist nicht allein aus der mehr als 167-jährigen Geschichte des Pferderennsports in der Region abzuleiten. Die Rennbahn beeinflusste die Architektur von Sportstätten und ist noch immer ein wichtiger Faktor für das soziale Leben und die Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten der Menschen.
Die Errichtung der Hindernisbahn schuf mit geringfügigen Veränderungen in der vorgefundenen Natur ein neues, einzigartiges Landschaftsbild, eine neue Umwelt. Sie war anfangs durch die Holzbauarchitektur geprägt, deren Wert für Nachhaltigkeit, Klima- und Naturschutz lange Zeit unterschätzt wurde.  Tatsächlich trug die Rennbahn damit zu den über hundertjährigen Bestrebungen zum Erhalt des Ökosystems Wuhlheide bei.

1894-1945: Hindernisbahn
Die Eröffnung der „Rennbahn in der Wuhlheide“ fand am 9. Mai 1894 statt. Als spezielle Hindernisrennbahn bis 1945 war sie die bedeutendste Naturhindernisbahn im deutschsprachigen europäischen Raum. Als älteste Naturhindernisbahn gilt die Rennbahn Gastrop (in Betrieb von 1873 bis 1970).

Die Bedeutung der Karlshorster Hindernisbahn ist zu messen :

– an der  territorialen Größe mit 75 ha. Das weitläufige Gelände war von Rudolph Jürgens als Landschaftspark gestaltet, der Form und Bewuchs der Natur in sich aufnahm und eine harmonische Verbindung zwischen Blöße (waldfreier Flecken in der Wuhlheide) und Hochwaldbestand (der Wuhlheide) schuf. Eine solche Landschaftsgestaltung war einmalig auf einer Rennbahn in Deutschland und wurde bald nach Eröffnung als immaterieller Wert mit dem Prädikat „schönste Rennbahn Deutschlands“ versehen.

– am GeIäuf: der Landschaftspark schloss in sich 40 mögliche Kombinationen der Galoppier-Linien ein. Damit war eine große Breite an Rennangeboten (Rennpreise) unterschiedlicher Länge und Schwierigkeitsgrade für Pferd und Reiter möglich. Keine andere Rennbahn in Deutschland bot diese Vielfalt.

– am Pferdebestand: 1923 Pferdebestand 258 Tiere. Es folgte Königsberg mit 94 Pferden. Weitere bekannte Rennbahnen lagen weit darunter. Der bekannte Rennplatz Baden-Baden bildete das Schlusslicht mit 11 Pferden.

– an den Rennen selbst: internationale Ausstrahlung und höchstdotierte Preise. Alle großen Hindernispreise Deutschlands wurden in Karlshorst gelaufen. Es war eine beliebte, weil schwierige Rennbahn. Die Feldgröße einer Ausschreibung (Anzahl der Reiter pro Rennen) in Karlshorst übertraf kein anderes Geläuf in Deutschland.

– an der Zuschauerresonanz: seit 1903 regelmäßig über 100.000 Gäste pro Jahr, in den 1920er Jahren verschiedentlich über 400.000 Zuschauer. Karlshorst wird durch die Rennbahn über Jahrzehnte geprägt. Sie ist ein Leuchtturm, der weit über den Berliner Raum hinaus strahlt, die Region bekannt macht und zu ihrem Aufblühen beiträgt.

Bau- und  kunsthistorische Bedeutung:

– Die Erstbebauung 1894 erfolgt mit deutlicher Anlehnung an die nordische Holzbauarchitektur (Drachenstil von Holm Hansen Munthe) und war das größte Ensemble solcher Bauten auf einer Sportstätte Deutschlands. (Kaiser-, Damen-, Teepavillon, Große Tribüne, Vereinstribüne). Diese Bauten wurden von Johannes Lange geschaffen, der als bedeutender Architekt der Holzbauarchitektur gegenwärtig wenig bekannt ist. Die Ursprungsbebauung von Lange ist weitgehend verloren gegangen (außer Waage und Remise). In Berlin ist von Lange an Holzbauarchitektur nur noch das Pförtnerhaus mit Holztor in Wannsee. (Denkmal Obj. Nr.: 0907552 1) erhalten. Als Bauberater wird Martin Haller genannt. Die Beteiligung am Bau der Rennbahn wird in seinem Werkverzeichnis als Randnotiz erwähnt, ein eigenes Werk von ihm ist nicht nachgewiesen.
Teilweise entstanden Gebäude in Fachwerk- bzw. in der damals neuartigen Holzfertigbauweise, die von der Wolgaster Aktiengesellschaft für Holzbearbeitung entwickelt wurde. (Waage, leider überformt) teilweise Teehaus,).

– Große Tribüne und Vereinstribüne in nordischer Architektur wurden durch den innovativen Tribünenneubau von 1937 (Stein, Glas, Beton) ersetzt (Denkmal Obj. Nr.: 09085121). Architekt Heinrich Straumer. Mit 2.300 überdachten Sitzplätzen war sie die damals größte Tribüne dieser Art in Berlin. Die Zahl der Sitzplätze wurde später reduziert.  

– Die kunsthistorische Bedeutung schließt die engen funktionalen und stilistischen Beziehungen zwischen der Rennbahn und der Entstehung des Ortsteils Karlshorst seit 1895 ein (Gründungskonsens der Kolonie 1895). Rennbahnbahnhof 1894 (Denkmal Obj. Nr.: 0908517) und „Hotel und Restaurant Fürstenhaus mit Stallungen“ 1894 (nach 1920 verloren) entstehen unmittelbar mit dem Bau der Rennbahn. Einige Karlshorster Villen sind von Johannes Lange entworfen und durch die Wolgaster Aktiengesellschaft für Holzbearbeitung errichtet. Das erklärt den Einfluss der nordischen Holzbauarchitektur im sogenannten Prinzenviertel von Karlshorst.

– In Karlshorst basierten Gewerbe und Arbeitsplätze auf der Grundlage der Rennbahn. Es existierten seit Gründung der Kolonie bis in die vierziger Jahre verschiedene Trainieranstalten im Stadtbild. Zeitweilig gab es zwei Großhändler für Luxuspferde. Das in großer Zahl vorhandene Gast-gewerbe lebte von den Zuschauern der Rennbahn, die überwiegend aus Berlin kamen.


Ab Juli 1945: Trabrennbahn
Die Eröffnung der Trabrennbahn am 1. Juli 1945 war die erste sportliche Großveranstaltung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und damit eine Initialzündung zur Wiederbelebung des Sports in ganz Deutschland. Darin besteht die nationale Bedeutung der Trabrennbahn Karlshorst für Gesamtdeutschland, die seit 1946 in der Literatur anerkannt ist. Mit der beginnenden Spaltung des deutschen Sports seit Ende der vierziger Jahre wurde dieser Platz in der deutschen Sportgeschichte gerne negiert. Leider lebt dieses Denken noch in der Gegenwart fort.

Bis 1946 war Karlshorst für ganz Berlin die einzige Trabrennbahn mit allen großen Rennpreisen und großer Zuschauerresonanz. Im Eröffnungs-halbjahr von Juli bis Dezember 1945 besuchen 211.788Zuschauer die Bahn, im Jahr 1946 sind es 496. 500 Besucher.

1946 erhält die Trabrennbahn Mariendorf (gegründet 1912) ihre Lizenz. Trotz partieller Zusammenarbeit stehen beide Bahnen in Konkurrenz. 1949 findet ein doppeltes Traberderby statt (Karlshorst und Mariendorf). Das Karlshorster Rennen wird in der BRD nicht anerkannt.

– Das Karlshorster Geläuf ist in der DDR der zentrale und einzige Ort des ganzjährigen Trabrennsports. Die Tribünen und Stehplätze sind immer gefüllt. Die Anzahl der Rennen steigt von 458 im Jahr 1950 bis zu mehr als 1.000 Rennen pro Jahr in den Jahren 1985/1990, zeitweilig unter Beteiligung von Pferden und Fahrern aus der BRD und Berlin-West. Andererseits verlassen einige Fahrer, die auf der Rennbahn Karlshorst ihren Berufsweg begannen und große Preise errangen, die DDR und gingen ins westliche Ausland. Von ihnen wird Gerhard Krüger ein Weltchampion. Die politische Entwicklung in der DDR schließt die internationale Ausstrahlung der Rennbahn nach Osteuropa ein, vor allem in den Wirtschafts-raum des RGW (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe). Internationale Preise werden in Karlshorst ausgetragen.

– Trotz des intensiven sportlichen Lebens blieben nach den umfangreichen Instandsetzungen bis 1947 Investitionen auf der Rennbahn bis in die Mitte der 1980er Jahre hinter den Erfordernissen zurück. Ausnahmen sind die Installation der Zielfotografie bereits 1954, der Neubau des Ziel-richterturms in neuartiger Architektur der Form und des Metall Glas-Beton- Materials (Denkmal Obj. Nr.: 09085126). Entwurf 1956, eingeweiht 1964. Bau des Kompaktstalls für 250 Pferde (1977).
Eine Grundsanierung mit Umbau nach internationalen Standards erfolgt in den Jahren 1984/1985.

– Mit ca. 500 Pferden Bestandspferden ist 1989 die höchste Entwicklungsstufe in der DDR erreicht. Projektideen für eine weitere Ausgestaltung zu einem Pferdesportpark mit weiteren Angeboten wie Turnierplatz, für Springreiten, Reithalle für privaten und öffentlichen Reitsport mit öffent-lichem Café, Fallschirmspringen (!) kamen nicht zum Tragen. Die Anlage für Windhunderennen wird abgebaut.

– Teilsanierungen der historisch wertvollen Holzbauarchitektur werden Ende der siebziger Jahre nicht weitergeführt. Der noch vorhandene Kaiserpavillon wurde im Winter 1969/1970 abgerissen. Weitere Holzbauarchitektur (Tribünen 2 und 3 aus der Entstehungszeit gehen verloren.) Fremdnutzungen in Nord-Ost Ecke (Großhandelslager u. ä., 2 Wohnhäuser in Nord-West ) beeinträchtigen den Rennbetrieb und die besondere Weitläufigkeit des Rennareals nicht.

Seit 1990: Eine wechselvolle Geschichte
Mit dem Beitritt der DDR zum Grundgesetz beginnen schwierige Jahre für die Rennbahn. Der „VEB Trabergestüte und Trabrennbahn Karlshorst“ wird nach dem Einigungsvertrag wie ein Volkseigener Betrieb behandelt und den entsprechenden Behörden zugeordnet. (Treuhand oder Nach-folgeinrichtungen, Finanzdirektion) Die Rennbahn selbst (das Geläuf) wird einem gemeinnützigen Verein zur Verfügung gestellt und der Renn-betrieb mit Ausnahmegenehmigungen weitergeführt. Trainieranstalten und Gestüte werden privatisiert. 1992 waren noch 350 Pferde in Karlshorst stationiert und trainiert.

– Bis 1995 nutzt der „Trabrennverein Mariendorf e.V.“ auf Basis jährlicher Pachtverträge mit der Treuhand die Bahn. In Berlin entsteht die kuriose Situation, dass zwei Bahnen mit dem gleichen Profil (also in Konkurrenz) von einem Verein geführt werden.

– 1995 übernimmt der neu gegründete „Rennverein Trabrennpark Karlshorst e.V.“ als Pächter die Bahn. Ein umfangreiches Programm mit Unter-stützung großer Sponsoren wird geboten. Zur gleichen Zeit beginnt sich die Gesamtsituation des deutschen Trabrennsports zu verschlechtern, was auch in Berlin zu spüren ist. Die Einnahmen aus Pferderennen gehen auf allen Berliner Bahnen zurück, Kosten steigen zum Teil erheblich. Die Berliner Stadtreinigung erhöht ihre Gebühren drastisch. Das zusammen genommen führt den Rennverein in die Insolvenz.

– 1999 pachtet der „Berliner Trabrennverein e. V.“ (ehemals „Trabrennverein Mariendorf e.V.“) für fünf Jahre erneut die Rennbahn von der Treuhand mit dem erklärten Ziel, beide Bahnen gleichrangig zu betreiben, will jedoch bereits im dritten Jahr der Vertragslaufzeit die Karlshorster Bahn als Wettkampfstätte schließen. Dagegen regt sich Widerstand aus Verwaltung, Öffentlichkeit und Sportlerkreisen. Neue Ideen, so die Erweiterung um eine Galopprennbahn,- werden verworfen.

– 2003 gründet sich nach Abstimmung mit der zuständigen Treuhandgesellschaft der Pferdesportpark Berlin-Karlshorst e.V. und wird alleiniger Eigentümer von ca. 41 ha des ehemaligen Rennbahngeländes. Kaufpreis 0,54 €/ qm. Die Organisation des Rennbetriebs erfolgt durch die Pferdesportpark Karlshorst GmbH mit dem Geschäftsführer D. Vergos, ehemals Rennbahn Gelsenkirchen, dann „Trabrennverein Mariendorf e.V.“ Als eintrittsfrei zugänglicher, quasi öffentlicher Grünraum, gewinnt das Rennbahngelände für die wachsende Einwohnerzahl von Karlshorst eine zunehmende sozialkulturelle Wertigkeit

Die Bedeutung eines solchen Raumes stellt 2015 das Stadteilprofil für Karlshorst vor dem Hintergrund der insgesamt unzureichenden Versorgung von Karlshorst mit öffentlichem Grün fest und vermerkt:
Der Stadtteil wirkt durch seine meist offene Bebauungsstruktur und seine vielen Kleingartenanlagen optisch stark durchgrünt. Für die Versorgung mit öffentlichen Grünflächen trifft dies nur begrenzt zu. Unbebaute Flächen, die sich für die Nutzung als öffentliche Grünanlagen eignen, sind nur in geringen Umfang vorhanden und in der Regel in privatem Eigentum. Neue Wohnungsbauvorhaben ändern an dieser Situation nichts, da sie keine öffentlichen Grünflächen schaffen. Es besteht dringender Bedarf an öffentlichen Grünflächen, der nur durch den Kauf von unbebauten Grundstücken behoben werden kann…“

Die Aussagen im Stadtteilprofil haben unter Berücksichtigung des Stadtentwicklungsplanes von 2011 und seiner Konkretisierung 2016 eine besondere Bedeutung, weil das Rennbahngelände seit jeher Bestandteil eines landschaftsräumlich sensiblen Areals ist. Auch hier kann ein Blick in die Geschichte hilfreich sein.

Landschaftsräumliche und ökologische Bedeutung des Rennbahngeländes
– Das Rennbahngelände ist als südlichster Zipfel der ehemaligen Friedrichsfelder Feldmark landschaftsräumlich Bestandteil Wuhlheide, die sich als ursprünglicher Hochwald, durchsetzt mit waldfreien Stellen, den sogenannten Blößen, von Köpenick bis nach Berlin hinzog. Um 1840 war sie mit 10 Einwohnern nahezu unbewohnt und wurde vom Amt, später von der Oberförsterei Köpenick verwaltet.
Um 1900 erreichte die prosperierende Großindustrie in Oberschöneweide und Rummelsburg die Wuhlheide. Nun rückten Forderungen in den Vordergrund, den Naturraum Wuhlheide zu schützen und für die Erholung und Freizeitgestaltung der Berliner Bevölkerung sowie der Einwohner der neu entstehenden Wohnstandorte Oberschöneweide und Karlshorst zu nutzen. Ein Teil der Wuhlheide sollte zum Volkspark werden.


– 1913 erwarb die Stadt Berlin vom Staatsforst in der Wuhlheide ca. 527 ha, um ein weiteres Grundwasserwerk anzulegen. Damit war die Ver-pflichtung verbunden, davon 125 ha als Volkspark zu verwenden. Die Fachpresse teilte mit: „Die Stadt Berlin beabsichtige nicht, den Teil der Wuhlheide, der über Wasserwerk, Staatsbahn und Volkspark hinausgeht und zur Bebauung freigegeben werden könnte, zur Bebauung frei zu geben“. Diese Absichtserklärung der Stadt Berlin kam nicht von ungefähr. Sie reiht sich ein in die große Bewegung zum Erhalt der Wälder in und um Berlin zur Sicherung der Trinkwasserversorgung und für die Gesunderhaltung und Erholung der Bevölkerung. Der sogenannte „Dauerwaldvertrag“ von 1915, der noch heute gültig ist, ist das Ergebnis dieser Bemühungen. Kommunen werden darin verpflichtet, Wälder anzukaufen und zu hüten.
Der Volkspark Wuhlheide entsteht bis 1926. In der gleichen Zeit werden östlich des Rennbahngeländes und nördlich des Wasserwerkes Sport-plätze und Spielplätze hergestellt. Sie zeigen ebenfalls, wie die Wuhlheide ohne Wohnungsbau sozial genutzt wurde. Diese Freizeiteinrichtungen wurden nach 1939 beseitigt. Der genaue Zeitpunkt ist unbekannt.

– 1993 ist das Projekt „Berlin-Karlshorst – Stadtplanerische und Landschaftsplanerische Rahmenplanung“ fertig gestellt. Auftraggeber war die dem Bezirksamt Lichtenberg übergeordnete Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz Berlin.
In der Rahmenplanung wird das Gelände und seine Funktionen wie folgt dargestellt:
„Landschaftsräumlich liegt das Untersuchungsgebiet in der Spreeniederung im Übergang zwischen äußerem und innerem Stadtrand östlich der Berliner Innenstadt. Stadtstrukturell handelst es sich um einen radialen, vom Umland bis in den inneren Stadtraum hinein-greifenden Grünkeil, welcher im Untersuchungszeitraum durch die unterschiedlichsten Freiraumnutzungen konstituiert wird“
(S. 13)

„Eine herausragende Bedeutung bei der Leitbildentwicklung kommt aus gesamtstädtischer Sicht der Freihaltung und Funktionsstärkung des „Grünkeils“ vom Umland bis in die Innenstadt als klimatischer Entlastungsraum und ökologischer Ausgleichsraum zu. Alle vorhandenen und geplanten Nutzungen sind in dieser Hinsicht auf ihre ökologische Tragfähigkeit besonders kritisch zu prüfen“.

„Die unterschiedlichen Freiraumnutzungen innerhalb des „Grünkeils“ wie Erholungswald, Freizeitpark, Volkspark, Trabrennbahn, Waldpark und nicht zuletzt die Fortsetzung nach Westen, der Plänterwald und der Treptower Park, sind beizubehalten.“

„Alle Tendenzen zur weiteren Zersiedlung des Großgrünraumes und die Verschiebung der Siedlungskanten zu Lasten dieses Raumes sind zu verhindern.“ (S.15 Hervorhebungen im Originaltext.)

Die „Stadtplanerische und Landschaftsplanerische Rahmenplanung für Karlshorst“ von 1993 bestätigt damit den großen kulturellen Wert des Freigeländes der Rennbahn für die ökologische Funktionsstärkung und die Gestaltung des sozialen Lebens der Einwohnerschaft.

In der Rahmenplanung von 1993 wurde bezüglich des Wohnungsbaus auf den Vorschlag verwiesen, an der Ostseite der Treskowallee vor den Anlagen der Trabrennbahn eine Randbebauung als Büro- und Dienstleistungskomplex sowie eine kleine Wohnanlage um zu einem zur Rennbahn führenden Park zu errichten. (ca.170 Wohnungen für 470 Einwohner).
Ein Wohngebiet nördlich der Trabrennbahn schien nicht tragfähig. Es widerspräche ökologischen Zielsetzungen: klimatische Ausgleichsleistungen, Grundwasseranreicherung, Biotopentwicklung, Grünverbindungen. Nutzungskonflikte zwischen Trabrennbetrieb und Einwohnerschaft würden entstehen (Lärm, Geruch, Flutlicht). (Rahmenplanung S. 47, S. 57)
   

Die bisherige Bebauung
– Ungeachtet der Erkenntnisse der Rahmenplanung für Karlshorst von 1993 fasst das Bezirksamt Lichtenberg 2002 einen Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan 11-14 und teilt diesen wenig später in die B-Pläne 11-14a (Wohnpark Karlshorst) und 11-14b (Trabrennbahn Karlshorst).
– Auf einem Teil des ehemaligen landschaftsparkähnlichen Geländes entsteht die Eigenheimsiedlung Carlsgarten mit über 500 Wohnungen. Mit diesem Wohngebiet ist das 1993 festgestellte Wohnbaupotential für das ehemalige Rennbahnareals mit ca. 75 ha mehr als ausgeschöpft. Die Belastung des Areals steigt durch die inzwischen fertig gestellte Wohnanlage „Wohnen im Park“, Straße am Carlsgarten 10 bis 14a im nordwestlichen Bereich des Geländes der ehemaligen Hindernisrennbahn. Der Bauträger „HELMA-AG“ bewirbt sie ausdrücklich zur Kapitalanlage. Dieses Areal ist durch 4 Hochhäuser mit 95 Wohnungen auf 13.500 m² und teils breite, versiegelte Zugangswege geprägt, überdies eingezäunt und damit einer öffentlichen Nutzung, z. B. als Durchwegung oder Spazierweg entzogen.
– Die Eigenheimsiedlung ist eine offen-lockere Kleinhaussiedlung, die die klimatischen Funktionen der Wuhlheide durch die niedrige Gebäudehöhe und geringe Bodenversiegelung nicht gravierend beeinträchtigt. Sie macht andererseits das einmalige Landschaftsbild, die Weitläufigkeit des Geländes in der Wechselwirkung zwischen Rennbahnpark und Hochwaldbereich Wuhlheide, noch begrenzt nachvollziehbar.

Die geplante Bebauung
– 2005 beantragte das Bezirksamt Lichtenberg die Einleitung eines Flächennutzungsplan- Änderungsverfahrens. Das Ziel dieses Antrags bestand darin, „Mischgebiete“ zu bestimmen, die eine „Intensivierung der Randnutzungen“ (des Rennbahngeländes) ermöglichen sollte. Der Antrag wird im März 2010 abgelehnt.
– Trotz der Ablehnung forciert das damalige Bezirksamt Lichtenberg die Bebauungsabsichten. Ein „Masterplan Wohnen und Pferdesport Berlin-Karlshorst 2014 “ wird ausgearbeitet. Dieser Masterplan entwickelte „Vorschläge für die investiven Voraussetzungen und Projekte für die Modernisierung und Weiterentwicklung des Pferdesports und die Intensivierung der Reitsportnutzung“. Er stellt fest, dass diese Vorschläge „nur durch Verkauf von Grundstücken durch den derzeitigen Eigentümer des überwiegenden Teils des Geländes, Pferdesportpark Berlin-Karlshorst e.V., finanziert werde könnten“. (Masterplan Zusammenfassung. S. 33). Durch den Verkauf könnten 586 Wohnungen, darunter ca. 150 Sozialwohnungen, verschiedener Struktur gebaut werden. Zugleich wird betont, dass auch durch den Wohnungsneubau eine dauerhafte Existenz des Trabrennsports nicht sicher gewährleistet werden kann. (S. 30)
– Noch bevor weitere Entscheidungen getroffen wurden, werden aus dem Bestand des Pferdesportparks e.V. Grundstücke an private Bauinvestoren und an eine Gemeinnützige Stiftung verkauft. Die Gruppe der privaten Käufer gibt Anlass zu Fragen.
– Im Herbst 2020 wird ein „Städtebauliches Konzept Trabrennbahn Berlin-Karlshorst“ öffentlich vorgestellt.
– 2021 (3. August) erfolgt die Bekanntgabe zur Einleitung eines Bebauungsplan-Verfahrens für den Bebauungsplan 11-178., der die Bebauung mit ca. 500 Wohnungen festschreiben möchte. Dazu liegen zustimmende wie ablehnende Stellungnahmen aus den Senatsverwaltungen vor, auf die hier verwiesen wird. Die Entwickelbarkeit eines Bebauungsplanes aus dem Flächennutzungsplan wird bezweifelt.

Vergleich von Masterplan (2014) und dem Konzept von 2020
– Der Masterplan stellt fest, dass der Grundstücksverkauf für den damaligen alleinigen Eigentümer des überwiegenden Teils des Geländes (Pferdesportpark Berlin-Karlshorst e.V.), alternativlos sei für Modernisierung und Weiterentwicklung des Pferdesports.
– In dem „Städtebaulichen Konzept “ sind außer dem Pferdesportpark Berlin-Karlshorst e.V. weitere Eigentümer genannt, darunter drei private Wohnungsbauinvestorengruppen bzw.-Personen. Es fehlt der Vorbehalt aus dem Masterplan 2014, dass auch durch den Wohnungsneubau eine dauerhafte Existenz des Trabrennsports nicht sicher gewährleistet werden kann (Masterplan S.30.)
– Sicher ist jedoch, dass die Bebauung des Rennbahngeländes mit Wohn- und Gewerbegebäuden gravierende Nachteile mit sich brächte.

Die geplante Bebauung würde die dargestellte intakte landschaftsräumliche und ökologische Funktion des Rennbahnareals für das Stadtgebiet von Groß-Berlin dauerhaft und gravierend negativ beeinflussen (Verlust des Kaltluftentstehungsareals, Umgebungserwärmung durch massiven Betonbau, Bodenversiegelung mit dem Bau der Gebäude und dazu gehörenden Erschließungswegen, Reduktion der Versickerungsfläche für Regenwasser, erschwerte Grundwasseranreicherung).

Sie wäre ein schwerwiegender Eingriff in die Umwelt, da das durch den Bau der Rennbahn 1894 geschaffene besondere Landschaftsbild in der Wechselwirkung zwischen Rennbahngelände und Hochwaldbereich Wuhlheide verloren ginge. Genau darin besteht der einmalige immaterielle Wert des Geländes, der auch für den Bezirk Lichtenberg imageprägend ist. Eine nach dem Berliner Leitfaden zur Bewertung und Bilanzierung von Eingriffen in die Umwelt (Februar 2020) eventuell notwendige Wiederherstellung wäre nicht machbar.

Nicht zuletzt würde der Bau weiterer Eigentumswohnungen auf diesem Gelände die Konflikte aus der unzureichenden sozialen Infrastruktur (Schulen, Kinderbetreuung, dem Rückgang von Frei- und Grünflächen) in Karlshorst mit seiner wachsenden Einwohnerzahl zuspitzen.

Fazit
Der geplante Wohnungs- und Gewerbeneubau auf dem Rennbahngelände wäre keine klimagerechte und nachhaltige Siedlungsentwicklung.
Gegenargumente bezüglich der dringenden Gesamtinteressen Berlins sind in Bezug auf den Wohnungsbau in Karlshorst nicht stichhaltig. Der Ortsteil Karlshorst hat seinen Beitrag zum Wohnungsbau in Berlin geleistet. Für den mit Karlshorster Verhältnissen weniger vertrauten Leser sei eingefügt:
Die Einwohnerzahl in Karlshorst stieg zwischen 2010 und 2020 um 34 %, in Lichtenberg lediglich um 13 %. Dieser Bevölkerungsanstieg in Karls-horst ist Folge des großflächigen Wohnungsneubaus im gesamten Ortsteil (z. B. Wohnen an der Wuhlheide, Am Rheinischen Viertel, Sokratesweg, Treskowhöfe und Hönower Straße, Tannhäuserstraße, Odinstraße, Marksburgstraße/Karl-Egon-Straße/Dorotheastraße. Er setzt sich gegenwärtig und in naher Zukunft fort. Am Blockdammweg (Parkstadt Karlshorst) und an der Wandlitzstraße (Kaisergärten) sind gegenwärtig 1350 Wohnungen im Bau. Kurz- und mittelfristig werden in Karlshorst-Ost weitere 2300 Wohnungen errichtet.

Die Bebauung des Rennbahngeländes liegt auch nicht im Interesse der Karlshorster Bürgerschaft. Das besagt ein Einwohnerantrag, den der „Karlshorst e.V.“ am 30. März 2021 an den Vorsteher der damaligen BVV, Herrn Bosse, übergab. In dem Antrag unterstützen 2.156 Karls-horsterinnen und Karlshorster, ein Vielfaches mehr als die erforderlichen 1.000 Unterschriften, die „Aufforderung an die BVV, die Umwidmung von sport- und Grünflächen zu Bauland einzustellen. Ein Konzept im Rahmen des bestehenden Flächennutzungsplanes muss entwickelt werden“. Der Antrag wurde unterdessen leider abgelehnt.

Alternativen?
– Eine Alternative ist bereits Realität. Die Stiftung Rehabilitationszentrum Berlin-Ost hat bereits auf ca. 10 ha im östlichen Teil des Rennbahn-geländes ein „Inklusives Pferdesport- und Reittherapie-Zentrum“ errichtet. Die inhaltliche Arbeit stimmt mit der Pferdesporttradition des Stand-ortes in neuer Form überein. Baustruktur und Bauhöhe der Gebäude beeinträchtigen die genannten klima- und ökologischen Funktionen nicht. Sie tragen zum Erhalt des entstandenen besonderen Landschaftbildes, der Weitläufigkeit des Geländes und mit seinen räumlichen Beziehungen zum Hochwald, bei.

– Die Auslauf- und Bewegungsflächen für Pferde am Standort sind, praktischerweise durch eine Gemeinschaftsunternehmung, dauerhaft zu erhalten. Das würde dem privaten Reitsport eine sichere Perspektive geben und seine Erweiterung anregen. An dieser Gemeinschaftsunter-nehmung sollte/könnte auch der Pferdesportpark e.V. teilnehmen. Die Entwicklung zu einem Sportpark wäre gemeinsam zu steuern. Das hätte positive Rückwirkungen auf Angebote und Breitenwirkung der Trabrennbahn.

– Brach-und Freiflächen des Pferdesportvereins Berlin-Karlshorst sind zu Grün-und Erholungsflächen mit partiellen Kleinsport-, Fitness- und Erlebnisangeboten (z. B. der vorgeschlagene Kinderbauernhof) umzugestalten. Dazu gehört der Erhalt und die Nutzung der vorhandenen Groß-baumflächen. Damit wären auch Flächen für eine mögliche künftige Erweiterung der Pferde-Sport-Angebote gesichert. Die gegenwärtige Situation scheint dieser Vision zu widersprechen. Sichere Prognosen kann niemand abgeben, aber die Flächen wären bei Bebauung unwiderruflich verloren.

– Wäre dies mit den 2020 öffentlich genannten nunmehr fünf Eigentümern der Grundstücke nicht möglich, sollte über eine Rückabwicklung einzelner Kaufverträge, Rekommunalisierung der Flächen und neue Trägerschaften für den Trabrennsport nachgedacht werden.

– Das Rennbahngelände ist ökologisch, sozial und kulturell zu wertvoll, um es dem freien Markt für Eigentumswohnungen zu überlassen.

Literatur:
– Gerd von Ende, Passion- Im Banne schneller Pferde. Vom deutschen Turf 1821 bis 1939. DSV 2013.
– Gerd von Ende, Berliner Rennfieber. Galopp und Trab zu 150 Jahren Hoppegartner Turf. Tredition 2018.
– Stadtplanerische und Landschaftsplanerische Rahmenplanung für Karlshorst“ Rahmenplanung 1993
– Die Gartenwelt, verschiedene Jahrgänge.  Nach: Jörg Bock, die Wuhlheide. Zur Geschichte des Volks- und Waldparks. Kulturring in Berlin, 2013
– Festschriften: 100 Jahre Rennbahn und 75 Jahre Trabrennbahn Karlshorst. 1994 bzw. 2020.
– die baumeister. Architekten der Rennbahn Karlshorst. Kulturring Berlin, 2009.  Autor Michael Laschke.
– die rennbahn. Von der Treskowschen Rennbahn zum Pferdesportpark Karlshorst. Kulturring Berlin 2013. Autoren Walter Fauck, Michael Laschke.
– Sport—Stätten—Kultur, ICOMOS. Hefte des Deutschen Nationalkomitees XXXVIII, 2002, Beitrag Jörg Haspel, S. 92 f
– Städtebauliches Konzept Trabrennbahn Berlin-Karlshorst. Projektvorstellung  2020
Weitere Quellen:
– Pressemitteilungen des BA Lichtenberg von Berlin.
– Unterlagen des ehemaligen Archivs der Rennbahn, weitere Publikationsorgane.


      




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